Chicago-Blues

Chicago-Blues
Chicago-Blues
 
[amerikanisch, ʃi'kagəʊbluːz], regionale städtische Spielweise des Blues (City-Blues), die sich Anfang der Vierzigerjahre herausgebildet hat und noch einmal ausgeprägte volksmusikalische Einflüsse in der Tradition des Mississippi-Blues zur Grundlage eines großstädtischen Bluesidioms werden ließ.
 
Chicago war mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg 1941 zu einem der Zentren für den damit einsetzenden Zustrom von farbigen Landarbeitern in die großstädtischen Industriegebiete des Nordens geworden, der sich schließlich zu einer beispiellosen Abwanderungswelle der schwarzen Bevölkerung aus den amerikanischen Südstaaten auswuchs. Die Umstellung der amerikanischen Wirtschaft auf die Kriegsproduktion schuf neue Arbeitsplätze vor allem in der Rüstungsindustrie und versprach damit ein Entkommen aus den unmenschlichen Lebensverhältnissen auf den Farmen und Plantagen des Südens. Mit dem Strom der Landarbeiter kamen auch noch einmal Volksmusiker in die Großstädte des Nordens, was vor allem in Chicago und an der Westküste (Westcoast-Blues) zur Herausbildung neuer regionaler Blues-Spielweisen führte. Da diese Abwanderungswelle aus dem Süden den Hauptverkehrsrouten folgte, sammelten sich in Chicago die Zuwanderer aus Mississippi, Alabama und Tennessee, unter ihnen Musiker wie die Sänger und Gitarristen Elmore James (1918-1963), John Lee Hooker (1917-2001) und Howlin' Wolf (Chester Burnett, 1910-1976), die die Tradition des Mississippi-Blues mitbrachten. Sie übertrugen hier ihre traditionellen Spielweisen auf die elektrisch verstärkte Gitarre und entwickelten aus den expressiven Ausdrucksformen des volksmusikalischen Blues einen lautstark-aggressiven Bluesstil, in dem sich die Enttäuschung und Verbitterung der Neuankömmlinge angesichts der entwürdigenden Bedingungen der Gettoexistenz spiegelte. Der dominante Einfluss des RCA-Labels Bluebird, für dessen Produktionen Lester Melrose (1896-1971) verantwortlich zeichnete, führte vor allem in den späten Dreißiger- und frühen Vierzigerjahren bei Musikern wie Big Bill Broonzy (1893-1958), Washboard Sam (Robert Brown, 1935-1964), Memphis Minnie (Lizzie Douglas, 1897-1973), Sonny Boy Williamson (1914-1948) und Arthur »Big Boy« Crudup (1905-1974) zu einer Vereinheitlichung im Klangbild. Dieser »Bluebird-Sound« wurde ab 1950 durch den »Chess-Sound« des gleichnamigen Labels abgelöst, der von Leonard Chess (1899-1969) geprägt worden ist. Dafür standen dann Namen wie Muddy Waters (1915-1983), Little Walter (1930-1968), Buddy Guy (* 1926) und Jimmy Rogers (* 1924).
 
Der Chicago-Blues bildete Ende der Vierzigerjahre eine der musikalischen Grundlagen des Rhythm and Blues und in den Fünfzigerjahren eine der Wurzeln des Rock 'n' Roll. Aber auch in den folgenden Jahrzehnten ist Chicago eine Heimstatt des Blues geblieben, wurde zu einem Zentrum dieser Musik, in dem die verästelten Bluestraditionen aus allen Teilen der USA schließlich zusammenliefen. Unzählige Musiker haben den Blues hier am Leben gehalten und sein Erscheinungsbild bis in die Gegenwart hinein geprägt, selbst wenn nur wenige von ihnen einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden. Aus der langen Reihe der Musiker, die die Nachkriegsentwicklung des Blues in Chicago getragen haben, seien stellvertretend Jimmy Reed (1925-1976), Magic Sam (Samuel Maghett, 1937-1969) und Willie Dixon (1915-1992), Luther Johnson (* 1939), Johnny Shines (* 1915) und Otis Rush (* 1934) genannt, da sie ohne Zweifel zu den bedeutendsten Vertretern des Blues in der Gegenwart gehören.

Universal-Lexikon. 2012.

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